Warum wir in abstrakten Bildern mehr finden, als wir sehen
- bronner2
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Aktualisiert: vor 8 Stunden
Abstrakte Kunst zeigt nicht die Welt – sie zeigt, was in uns selbst sichtbar werden will.

Rupert Bronner, Ausschnitt aus Wellentraum in Blau und Schwarz, 2025, Öl und Stifte auf Papier, 90x50cm
Es gibt einen Moment vor einem abstrakten Bild, in dem das Sehen leiser wird.Linien verlieren ihren Zweck, Farben treten nicht mehr als Beschreibung auf, und Flächen hören auf, etwas darstellen zu wollen.
Was bleibt, ist ein Zustand, der weder erklärt noch festgelegt werden will.Vielleicht beginnt genau dort das eigentliche Betrachten: nicht im Erkennen, sondern im Zulassen.
Abstrakte Kunst schafft eine Situation, in der wir mehr finden, als wir tatsächlich sehen, und diese Verschiebung öffnet einen inneren Raum, der im Alltag oft überlagert ist.
Wenn der „Hase“ erscheint
In manchen Ateliergesprächen taucht eine wiederkehrende Bemerkung auf:„Ich sehe einen Hasen.“
Das ist ein zutiefst menschlicher Vorgang.Das Gehirn sucht nach Bekanntem, ordnet, benennt, hält fest.Es versucht Sicherheit herzustellen durch Verknüpfungen zu Bildern, die es kennt.
Doch in der abstrakten Kunst kann genau dieser Reflex zu einer blockierenden Schwelle werden.Sobald der „Hase“ in den Mittelpunkt rückt, verschiebt sich der Sinn des Bildes.Das Erkannte nimmt den Raum ein, den die Abstraktion eigentlich öffnen wollte.
Der Blick bleibt an einer Form hängen –der innere Raum schließt sich, bevor er entstehen kann.
Die Kunst, das rationale Sehen zu beruhigen
Der Zugang zur Abstraktion verlangt von den BetrachterInnen keine kunsthistorischen Kenntnisse. Innere Verschiebungen der Erwartungshaltung reichen aus:
– sich Zeit geben– den Blick weich werden lassen– nichts erkennen müssen
Es ähnelt der Meditation:Je weniger man gegen den eigenen Geist arbeitet, desto stiller wird der Raum hinter den Gedanken.
So kann auch beim Betrachten eines abstrakten Bildes das Rationale ein wenig an Bedeutung verlieren.Das Erkennen tritt zurück, das Empfinden tritt hervor – und plötzlich entsteht ein Zustand von Offenheit.
Es geht nicht nur um den Hasen
Zwei Impulse können dem inneren Erleben im Weg stehen:
1. Das assoziierende Erkennen:„Das sieht aus wie …“
2. Das prüfende Bewerten:„Ist das gut? Ist das stimmig?“
Das eine sucht nach Vertrautem, das andere nach Kriterien.Beides lenkt ab von den Möglichkeiten, die Abstraktion eröffnet.
Was ein abstraktes Bild wirklich zeigt

Rupert Bronner, blaues Meer, Fotoausschnitt im Trocknungsprozess, 2025, Öl auf Leinwand
Wenn Erwartungen stiller werden, kann das Bild beginnen, eigene Zustände zu entfalten:
Farbe
Tiefe
Weite
Distanz
Wärme
Kälte
Rhythmus
Leere
Erinnerung
Freude
Traurigkeit
Nachdenklichkeit
Bewegung
Stille
Diese Eindrücke sind nicht im Bild verankert – sie entstehen im Betrachter. Die Aufzählung ist nicht abschließend und lässt viele weitere Möglichkeiten zu. Das Bild wird zu einer Fläche, in die man hineinspürt, nicht hineinliest.Zu einem Angebot, das eigene Empfinden wahrzunehmen.
Manchmal zeigt ein Bild auch einfach Nichts.Und selbst dieses Nichts kann ein innerer Raum sein – eine kurze Pause im Blick.
Der innere Raum
Innere Räume sind Landschaften, die nicht außen existieren, sondern in uns selbst entstehen.Sie haben keine Konturen, keine Perspektive, keine Richtung.
Abstrakte Kunst öffnet diese Räume, weil sie nichts vorgibt.Sie schafft keine äußere Architektur – sie schafft eine innere.
Vielleicht liegt darin ihr Wert:Dass sie uns einen Moment schenkt, in dem wir uns selbst begegnen, ohne uns erklären zu müssen.
Ausklang
Manchmal genügt ein Moment, in dem das Bild nichts verlangt –und etwas zeigt.Ein Moment, in dem innerer Raum sichtbar wird.

Rupert Bronner, Zauberwald, 2023 Acryl, Öl auf Leinwand, 110x90cm
Ich, Rupert Bronner, bin Architekt und Maler und mache das Unsichtbare sichtbar – in meiner Kunst, die Tiefe, Bewegung und Stille spürbar werden lässt.Ich male Architektur – nicht die, die man betritt, sondern die, die man fühlt –und freue mich, wenn es gelingt, mit meiner Kunst zu berühren.
01.12.2025
Rupert Bronner, Bauerstraße 40, D-80796 München, +491717335322
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